Anläßlich der 100-Jahrfeier des TuRa-Freienohl 1988 erinnert sich Rudi Neise:

Warum nicht?
Die Antwort ergibt sich ganz einfach aus der Tatsache, daß jeder von uns nach dem Krieg zunächst froh war, von der Diktatur befreit, die schrecklichen Kriegsjahre überstanden zu haben, und keiner den Mut hatte, sich den Alliierten gegenüber zu stellen, um einen neuen Verein zu gründen bzw. organisatorisch tätig zu werden. Mit dem von uns Deutschen begonnenen Krieg fühlten wir uns doch alle in einer gewissen Mitschuld am Krieg. Der Haß auf die Deutschen war zu groß. Bei den Besatzungsmächten verspürte man immer noch die Angst, die Deutschen würden sich neu organisieren und sich wieder zu Wehr setzen. Es fehlte also der Mut zum neuen Anfang.

Wie war es?
Der über 100jährige Turn- und Rasensportverein verdankt seinem Namen dem Zusammenschluß von Turn- und Ballspielverein. Die Fusion des Turnvereins 1888 und Ballspielvereins 1909 im Jahre 1938, sollte sich in den folgenden Jahren als richtig erweisen.

Es gab keinen Hader und keine Konkurrenz mehr. Zielstrebig wurde die Fußballabteilung, hier die 1. Mannschaft, mit den Jugendspielern Kuno Altenwerth, Ernst Stirnberg, Franz Beilmann, Erwin Bayer, Willi Becker (Moos genannt), Hubert Schröder (Gerratz Hubert), und Franz Köster (bekannt als Hahnen Piele) aufgebaut. Diesen 18jährigen - sie gehörten alle dem Jahrgang 1920 an - standen die erfahrenen Spieler wie Lorenz Stirnberg, Heini Weber (Fronols Heini), Ernst Blessenohl und Willi Kerstholt (Sparkassen Kerstholt), zur Seite.Die Aufwärtsentwicklung war unverkennbar. Bei den Nachbarvereinen fand die sehr schlagkräftige 1. Mannschaft allseits Beachtung.

Der Aufwärtsentwicklung wurde leider durch den Ausbruch des 2. Weltkrieges 1939 ein schnelles Ende gesetzt. Nach und nach wurden alle Spieler der 1. Mannschaft, ja selbst Vorstandsmitglieder, zu den Waffen gerufen.

Die Vereinstätigkeit kam vollkommen zum Erliegen. Der Sportplatz an der alten Schützenhalle im Lange! (dort steht heute die Firma Wortmann & Filz) lag verlassen; ohne Bedeutung. Zum Teil war er mit Rasen zugewachsen; Kühe weideten dort auf dem Heimweg. So ganz ohne Fußball ging es während des Krieges in Freinohl dennoch nicht. Mehrere Jugendliche hatten eine Reisemannschaft gebildet. Zum Spiel gegen Nachbarvereine schlossen sie sich zusammen und vertraten den Sportverein in den Kriegsjahren. Talentierte Spieler hatten sich in der sogenannten Reisemannschaft hervorgetan, die nach dem Krieg den Grundstock einer Nachwuchsmannschaft hätten bilden können. Ich denke hier an folgende Spieler: Hänschen Trompetter (Philipps), Karl-Jos. Weber, Willi Kaulmann. Der Krieg hat auch bei diesen ganz jungen und hoffnungsvollen Talenten seine Opfer gefordert. Von den talentierten Spielern, die den Krieg überstanden haben, sind zu erwähnen:
Schirps Bobby, Kerstholts Franz-Josef, Heckmanns Willi und Stirnbergs Raimund.

1945 Kriegsende.
Nicht nur das deutsche Reich war zerstört; auch das gesellschaftliche Leben der Vereine schien dahin zu sein. An das Wiederaufleben des Sportvereins dachte zunächst niemand. Wer von den Rück­kehrern oder den Daheimgebliebenen war bereit, die Aufgabe zu übernehmen, den Sportbetrieb wieder in Schwung zu bringen? Letztendlich mußten wir die Besatzungsmächte über das Vorhaben unterrichten und eine Genehmigung zur Vereinsgründung oder deren Wiederauflebung einholen. Erst die im Spätsommer 1945 ergangene Direktive der Alliierten erlaubte das Wiederaufleben der Vereine, so auch der Sportvereine.

Zögernd suchten einige Fußball-Enthusiasten in Freienohl nach Anhängern des runden Leders. Die Suche begann bei alten Vereinsmitgliedern und Spielern, die Erfahrung in der Vereinsführung hatten.

Es gibt einen Ausspruch: „Woher nehmen und nicht stehlen?"

Nach und nach entließen die Alliierten die deutschen Soldaten aus der Kriegsgefan­genschaft. Die Fußballanhänger des TuRa Freienohl konnten sich die Heimkehr alter Spieler bzw. Vorstandsmitglieder nur wün­schen. Es blieb leider nur Wunschdenken. Vom alten Vorstand des Vereins zählten Josef Schwefer (Görs Gummi) und Adam Heckmann (Mittelstraße), von den Spie­lern: Willi Kerstholt (Sparkasse), Heini Weber (Fronols Heini), Ernst Blessenohl und Franz Beilmann zu den ersten Heim­kehrern 1945.

Leidenschaftliche Anhänger des Fußballs versuchten im Spätsommer 1945 den Sportverein wieder auf die Beine zu bringen. Fr.-J. Schirp (Bobby), Willi Heck­mann, Fr.-J. Kerstholt (gen. Solmes Dicke) und einige andere waren es, die den Ver­such unternahmen, Interessenten für eine Vereinsführung zu gewinnen. Gerade in Freienohl war das insofern schwierig, als die meisten aktiven Spieler bzw. Vorstands­mitglieder entweder im Krieg gefallen waren oder sich noch in Kriegsgefangen­schaft befanden. Ungeachtet dessen, daß für die Wiederbelebung des Turn- und Rasensportvereins nach dem Krieg mit der Rückkehr einiger alter Spieler zu rechnen war, fanden Sportanhänger in Willi Weber am Hügel den Mann, der wohl bereit sein würde, den losen Zusammenschluß von Fußballanhängern zu führen. Er, ein alter Anhänger des Fußballs, übernahm den Vorsitz, Adam Heckmann, früher Mittel­straße, die Geschäfts- und Kassenführung. Ihnen gebührt im nachhinein Dank und Anerkennung für den Mut, daß sie sich in einer so schwierigen Zeit für die Aufgabe zur Verfügung gestellt haben.

Der für uns verlorene Krieg und seine Folgen wirkten sich lähmend auf die Wie­derbelebung des Sportbetriebs allgemein aus. Im Winter 1945/46 hatte Adam Heckmann dem alten Spieler Willi Kerstholt gegenüber mehrfach angedeutet, daß er als Geschäftsführer des Vereins zurücktreten würde.
Von der Rücktrittsabsicht erfuhr ich auf der gemeinsamen Fahrt zum Dienst (Willi Kerstholt und ich fuhren gemeinsam im Bus zum Dienst). Nachdem Heckmann zurückgetreten war, versuchte Kerstholt mich als Nachfolger zu gewinnen. Sehr interessiert am weiteren Wiederaufbau des Sportvereins zeigte sich Willi Kerstholt bei all' unseren Unterredungen. Er war es auch der mich dazu überredet hat, die Geschäftsführung des Sportvereins zu übernehmen. Gemeinsam gingen wir an einem Abend im November 1945 zum Vor­sitzenden Willi Weber. Bei dieser Zusam­menkunft waren wir drei uns einig, daß ich die Geschäftsführung übernehme. Die nächste Versammlung fand im Februar 1946 statt. Adam Heckmann trat hier offi­ziell als Geschäftsführer zurück. Am 10. März 1946 erfolgte der Rücktritt des 1. Vor­sitzenden Willi Weber.

Wie ging es weiter?
Nachdem Willi Weber als Vorsitzender des Vereins zurückgetreten war, wurde mir erst recht bewußt, welche Aufgabe ich mir mit der Zusage aufgeladen hatte, die Ge­schäftsführung des Sportvereins zu über­nehmen. Die Kassengeschäfte übernahm Heinz Zeyen (er wohnte seinerzeit im Haus Höm­berg, Mittelstraße). Und so setzte sich die Vereinsführung ab 10. März 1946 zusammen:
1. Vorsitzender: keiner
2. Vorsitzender: keiner
Geschäftsführer: Rudi Neise
Kassierer: Heinz Zeyen
Spielausschuß: keiner

Das gibt's doch gar nicht! Doch, so war es. Es war doch keiner bereit, sich in einen Verein aufnehmen zu lassen, geschweige denn, eine Funktion zu über­nehmen. Wer die Jahre der Diktatur miter­lebt und die Kriegswirren einigermaßen überstanden hatte, wollte durch eine Mit­gliedschaft, ganz gleich in welchem Verein, sein Leben nicht belasten. Die Angst, dies­bezüglich zur Rechenschaft gezogen zu werden, war sehr groß.

Recht und schlecht habe ich damals allein die Zeit für den Wiederaufbau durch­stehen müssen. Es war doch nichts, aber auch gar nichts vorhanden. TuRa Freienohl konnte lediglich auf zwei seiner alten Spieler zurückgreifen. Da waren Nachbar­vereine in einer weitaus besseren Lage. Ich konnte nur Woche für Woche improvi­sieren. Von der einstmals so hoffnungs­vollen Garde halfen Willi Kerstholt und Franz Beilmann mit, eine Fußballmann­schaft auf die Beine zu stellen. Infolge der Kriegsverluste befand sich TuRa in einer ganz mißlichen Lage. Die meisten aktiven Spieler bzw. Vorstandsmitglieder waren gefallen oder befanden sich noch in Kriegs­gefangenschaft. In jeder Hinsicht stand das große „Nichts" im Raum.

Für uns die Frage: Wo und wie weiter­machen?
Wo war die Vereinsgeschichte des TuRa bei Kriegsausbruch im September 1939 stehengeblieben?

Weder Mitgliedsverzeichnis noch Proto­kolle waren aufzufinden. Es war bekannt, daß Albert Helnerus dem Vereinsvorstand angehört hat. Angeblich sollten sich Ver­einsunterlagen bei seinem Vater, Julius Helnerus (Gastwirt), befinden. Eine Nach­frage war ohne Erfolg.

Da keine Unterlagen aufzufinden waren, war das Kapitel ,yereinsgeschichte" abge­schlossen. Unsere Aktivität hatte sich ganz auf die Suche nach Spielern abgestellt. Samstag für Samstag habe ich abends im Vereinlokal Hellmann gesessen, habe Jugendliche angesprochen, ob sie am Sonntag Fußballspielen möchten. Ich kam mir vor wie ein Bettler, nur mit dem Unter­schied, daß ich für TuRa gebettelt habe.

Durch meine berufliche Tätigkeit hatte ich schnell Kontakt zu Nachbarvereinen aufge­nommen. Ich habe mich auch dadurch nicht entmutigen lassen, daß die Spiele fast alle verloren gingen. Selbst nicht, wenn sie zweistellig wie gegen Hüsten 09 -13:0 oder Arnsberg 09 mit 11:1 ausfielen. Zu der Zeit konnte man sagen: Jeder Schuß aufs Tor war ein Treffer. Jeden Sonntag andere Spieler. Gespielt wurde seit dem Zusam­menschluß 1938 nur auf dem alten Sport­platz an der Schützenhalle im Langel.

Dieser wurde vor dem Zusammenschluß 1938 vom Turnverein benutzt, der Ballspiel-verein hatte seinen Platz in Bockum, dort, wo die Bauern Flinkerbusch und Seifert heute angesiedelt sind.

In welchem Zustand befand sich der Sport­platz im Langel? Seit Kriegsausbruch war nichts mehr in Ordnung gehalten worden. Die Umzäunung des Platzes fehlte entlang der Straße zum Langel fast vollständig, oder sie war angefault. Gefahr drohte jedem Spieler, der an der Seite. zu spielen hatte, an dem der Platz mit Rasen zuge­wachsen war, denn die Seite war reichlich mit „Kuhfladen" bedeckt.

Der Sportplatz war Eigentum der Gemeinde Freienohl. Die letzten 4-5 Meter zum Langel gehörten dem Bäcker Franz Schmitten-Korte. Ein Dreieck entlang des Wassergrabens war Eigentum des Ernst Linneborn.

Sorge bereitete uns stets der Wasser­graben, weil Bälle, die ins Wasser flogen, mit einer langen Stange aufgefischt werden mußten. Einen Platzwart kannten wir zu der Zeit nicht. Zum eigentlichen Wiederaufbau des Vereins kam die Sorge um die Bespielbarkeit des Sportplatzes. Es ergaben sich organisatorische Aufgaben, die zu bewältigen waren, wenn neben dem Vereinsleben auch der Spielbetrieb in Fluß kommen sollte. Ein sehr guter Kontakt bestand zum leiderallzufrüh verstorbenen Sportfreund Rudi Rohe aus Sundern, Mit­inhaber der Firma Schulte-Ufer Sundern. In einer Zeit, in der Sportkleidung nur durch Beziehungen zu bekommen war, besorgte er uns die erste Garnitur Trikots für die 1. Mannschaft und verhalf uns zu Haushalts­und Elektrogeräten aus seiner Firma, Ein­kaufswert rund 1.000,- RM, für eine Verlo­sung Weihnachten 1946. Die Verlosung war als Auflockerung des Vereinslebens gedacht.

Aus der Vielzahl der Spieler hatte sich bis zum Sommer 1946 eine konstante Mann­schaft gebildet.

Spieler aus der Soldatenmannschaft Wildshausen — dort war ein Kriegsgefan­genenlager mit ca. 350 deutschen Sol­daten — wurden zur Verstärkung einge­baut. Es waren die Spieler: Paul Sorge, Günter Vogt, Heinz Seidensticker, Konrad Blum und Franz Meier. Oberst Swen, eng­lischer Offizier, dem das Lager unterstand, erlaubte, daß das ersten Spiel gegen TuRa Freienohl ausgetragen wurde.

Wenn auch der Fußballhimmel noch nicht strahlte, es waren doch Lichtblicke zu erkennen, die reizten, einen stärkeren Gegner zum Spiel einzuladen. Die Besat­zungsmacht wurde nicht mehr als der Kriegsgegner schlechthin angesehen; sie war ja als unser Befreier von der Nazidik­tatur gekommen.

Die uns von der Besatzungsmacht aufer­legten Einschränkungen waren gelockert, die Ausgehzeit bis 20 Uhr verlängert, und die Unnahbarkeit zur Besatzungsmacht wurde nicht mehr so streng genommen. Das gab Mut, eine englische Mannschaft zum Spiel einzuladen. Mit einem „Holz­kocher" der Firma Ehret (Wennemen), — Leuers Hubert hatte sich den Wagen bei seinem Chef geliehen, fuhren wir zur eng­lischen Dienststelle in die Rönkhauser Straße nach Hüsten. Nach anfänglichen Bedenken wegen der Unfallgefahr sagte Oberst Green dem Spielabschluß zu. Die Rückfahrt war mit einem Hindernis ver­bunden. Der „Holzkocher" ließ uns kurz hinter Hüsten stehen. Wegen der Sperrzeit, diese war auf 20 Uhr festgesetzt, kamen wir in arge Bedrängnis. Wer kannte sich in der Funktion des Holzkochers schon aus? Alle Versuche, den Holzkocher wieder in Schwung zu bringen, blieben ohne Erfolg. Der Wagen wurde rückwärts zwischen die Häuser geschoben.

Per Anhalter — eine andere Rückfahrmög­lichkeit gab's nicht mehr -kamen wir noch rechtzeitig gegen 20 Uhr in Freienohl an. Aufregend war die Zeit schon. Ohne Genehmigung der Besatzungsmacht für Fahrten an Sonntagen mit einem LKW, lief nichts. Ohne Fahrgenehmigung zu fahren, war strafbar. Zu den auswärtigen Spielen fuhren wir mit LKW's und Anhänger. Beladen mit 50 bis 70 stehenden Personen. Halszerbrecherisch, wenn es in die Kurven ging.

Für Fahrten mit wenigen Zuschauern mußten Peter Pecko und Ernst Neise mit ihren Holzkochern herhalten. Glimpflich verlief die Fahrt zum Spiel nach Wickede im Herbst 1946, als sich auf der Strecke zwi­schen Bruchhausen und Hüsten plötzlich das rechte Hinterrad löste und an uns vorbei ins Feld rollte.

Auf die Beschaffenheit der „Holzkocher" wurde kaum geachtet. Zeichen der Zeit, kann man schon sagen. Willi Klasmeier, er war bei der Kreisverwaltung in Arnsberg zuständig für Fahrgenehmigungen, erwischte uns zweimal ohne Fahrgenehmi­gung. Das kostete je 30,- RM. Geld war noch nicht wieder in der Kasse.

Wie auch zu der Zeit alles gelaufen ist, es hat auch oft Spaß auf dem Sportplatz gegeben. Eine Begebenheit sei hier auf­geführt: Im Spiel gegen eine Mannschaft aus Helle­feld wurde ein Hellefelder Spieler wegen seiner unfairen und harten Spielweise vom Schiedsrichter Broichhaus des Feldes ver­wiesen. „Nä,Nä", sagte der Hellefelder Spieler, „sie müssen mir erst kündigen".

Voll List und Tücke waren oft die Anfeue­rungen der Zuschauer, die sich an dem Toi­lettenhäuschen der Schützenhalle auf­hielten. Einmal wurde der Spieler angefeuert, beim nächstenmal wurde er wieder runtergemacht. Für die Spieler war dies eine böse Zuschauerecke.

Bei einem M-Spiel gegen Bruchhausen verletzte sich — auf dem gefrorenen Boden — ein Bruchhauser Spieler am Ober­schenkel, Sanitäter zum Verbinden waren nicht zur Stelle. Schnell schnitt ein Zuschauer das lange End seines Sockens ab, ein anderer gab sein Taschentuch, und schon war der Verband angelegt. Die Begeisterung bei den Bruchhauser Zuschauern war beachtenswert.

Im Spätherbst 1946 ließ der Architekt Josef Schwefer (Auf dem Mühlenberg), mich zu sich rufen. Sein Anliegen: Fortführung des Gesprächs über Abgabe eines 10 m tiefen Geländestreifens vom Sportplatz an die Firma Goblet zur Verlängerung der Schüt­zenhalle, in der sich die Tuchfabrik Goblet befand.

An diesem Gespräch nahm auch Herr Franz Goblet teil (die Firma Goblet kam während des Krieges aus Aachen nach Freienohl). Ich stand der evtl. Abgabe eines Geländestreifens nicht ablehnend gegen­über, nur müsse ein geeignetes Gelände zum Ausbau eines neuen Sportplatzes besorgt werden, gab ich beiden zu ver­stehen. Mich beschäftigte dieses Thema schon seit der ersten Unterredung mit Architekt Schwefer, das wir schon vorher vor dem ehemaligen Amtsgebäude kurz angesprochen hatten. Somit kam ich nicht ganz unvorbereitet zu dieser Unterredung. Als geeignetes Gelände konnte nur eine Wiese irgendwo im Ohl in Betracht kommen (Korten-Fahnschmirz Wiese).

Mein Hinweis: Berg- und Talgelände, daher ungeeignet, außerdem wären die Zuschau­er der Witterung auf der Höhe (Sturm, Regen u.s.w.) sehr stark ausgesetzt.

Der Verein würde sicherlich mit Rücksicht auf seine Zuschauer den Vorschlag ablehnen, gab ich den beiden Herren zu verstehen. Das Gelände einzuebnen, sei keine Schwierigkeit, meinte Herr Schwefer und beauftragte mich, dem Verein seinen Vorschlag zu unterbreiten. Unsere Unterre­dung beendeten wir mit der Vereinbarung, daß Herr Schwefer und Herr Goblet sich weiterhin um ein geeignetes Gelände bemühen wollten. Ich bin von keinem der beiden Herren auf dieses Thema wieder angesprochen worden.

Im November 1946 kam es zu einer außer­ordentlichen Versammlung. Wie so oft in schwierigen Situationen war Lehrer Franz Demmel wieder der Retter und Helfer. Sein Sportgeist war beneidenswert. Auf seine Anregung hin wurden folgende Mitglieder in den Vorstand gewählt:
1. Vorsitzender: Franz Broichhaus
2. Vorsitzender: Josef Schwefer
1. Geschäftsführer: Rudi Neise
2. Geschäftsführer: Herbert Zacharias
1. Kassierer: August Geißler
2. Kassierer: Reinhard Flechtner
Spielausschußobmann: Klemens Rüth
Dem Spielausschuß gehörten weiter an: Otto Köster, Aloys Winterhoff, Ernst Blesse­nohl, Franz Beilmann, Josef Schwefer, Nor­bert Pöttgen. Dies war der erster vollständige gewählte Vorstand nach dem Krieg.

Das Jahr 1947 brachte ein reges Vereins­leben. Mit dem Besuch des Deutschen Fußballmeisters von 1934, FC Schalke 04, der gegen eine Auswahlmannschaft des Sauerlandes spielte, war der ‚alte Kontakt zum Traditionsverein durch Albert Bürger, Eslohe (er wohnte früher in Feienohl und hatte den Deutschen Meister von 1934 damals zu einem 14tägigen Urlaub nach Freienohl eingeladen) wieder hergestellt. In der Sauerlandmannschaft standen bewährte Spieler aus Wickede, Voßwinkel, Neheim-Hüsten, Oeventrop, Meschede und vier Spieler vom TuRa Freienohl. 6000 Fußballfans aus dem gesamten Sauerland kamen zu diesem Spiel.

Herr Bartholomä, zuständiger Förster für den Gemeindewald Freienohl, hatte auf die Bitte des Sportvereins alle dicken Äste von den Eichen jenseits des Wassergrabens entfernen lassen, damit die Zuschauer vom anderen Ufer aus einen freien Blick zum Sportplatz bekamen. Bei der Aufarbeitung waren Aste über bzw. in den Wassergraben gefallen, der Eigentum des Ernst Linne­born ist.

Aufgeweckt durch diese Arbeiten am Was­sergraben, sah sich Herr, Linneborn ver­anlaßt, mich auf den Grenzverlauf seines Privatgrundstücks aufmerksam zu machen. Ich gab ihm zu verstehen, daß der Sportverein dafür sorgt, daß das Holz aus und entlang dem Wassergraben entfernt wird.

Bei dieser Gelegenheit stellte ich als Geschäftsführer des Sportvereins die Frage an Herrn Linneborn, ob er es dulden würde, wenn der Sportverein — in Ver­bindung mit der Gemeinde Freienohl zür Verbreiterung des Sportplatzes den zu seinem Werk führenden Wassergraben auf eine Länge des Sportplatzes mit einer dicken Betondecke versehen würde. Das führe zu einer Beeinträchtigung des Was­sergrabens, das könne er nicht zulassen, war seine Antwort. Damit war es noch nicht getan. Er ließ mit Holzpflöcken den Grenzverlauf auf dem Sportplatz mar­kieren.

Der damals im Jugendheim — gegenüber der alten Schützenhalle — wohnende Heinrich Böll, 1948 nach Arnsberg ver­zogen, machte ich mich auf die von Herrn Linneborn angebrachte Makierung auf­merksam. Die 10 cm aus der Erde ragenden Holzpflöcke haben Webers (Fronols) Heini und ich mit der Spitzhacke entfernt. Es kam dann zu einer neuen Unterredung mit Herrn Linneborn, der sich zur Sicherheit des Grenzverlaufs entlang des Wassergrabens eine jährliche Erinne­rungsgebühr von 10 RM erbat. Dies machte ich von der Zustimmung des Sportvereins abhängig. Über Höhe und Zeitpunkt der Zahlung müsse der Vorstand beschließen, war Fazit unseres Gesprächs.

Zur Vereinsgeschichte gehört auch festge­halten zu werden, daß ab 1946 der Spielbe­trieb um eine Herrenhandballmannschaft erweitert wurde.

Mit dem neuen vollständigen Vorstand und ersten Spielausschuß regte sich das Vereinsleben. Spielausschußsitzungen fanden wöchentlich statt, dabei mußte Kösters (Wageners) Jupp mit seinem „Eigenheimer" (selbstgezogener Tabak) immer Federn lassen, oder es gab Gele­genheit für 5,- oder 7,- RM je Stück eine Camel, Pall-Mall oder Stuyvesant von ent­sprechenden Schwarzhändlern zu ergattern.

Mit heller Freude und Bewunderung wurden die ersten von Norbert Pöttgen (Quellmann genannt) angefertigten Fuß­ballschuhe vom Spielausschuß ange­nommen. Woher das Leder zu der Zeit kam, darüber konnte man nur spekulieren. Die Schuhe wurden dem vom Sportverein Oeventrop zu uns gestoßenen Spieler Alfons Wiesehöfer (der Krumme genannt) ausgehändigt.

Es fand kaum eine Spielausschußsitzung statt, in der nicht von alten Spielern, die noch in Kriegsgefangenschaft waren, gesprochen und ihre baldige Heimkehr gewünscht wurde.

Die jungen Spieler brauchten einen Allround-Spieler wie Franz Beilmann, der mit Stirnbergs und Schirps den Fußball in Freienohl prägte … und eine Autoritätsperson, wie sie Lorenz Stirnberg im Spiel, aber auch außerhalb, von sich gab. Für den Sturm der 1. Mannschaft fehlte ein Reißer mit glas­hartem und treffsicherem Schuß, den Ernst Stirnberg (Enti genannt) einst auszeichnete und ihn als Mittelstürmer manchen Torer­folg brachte.

Das führte häufig zu Reibereien, beson­ders dann, wenn für die eine oder andere Abteilung ein wichtiges Spiel anstand.

Diesen alten Idealmittelstürmer konnten wir zwar bei der Weihnachtsfeier 1947 wieder in unseren Reihen begrüßen, sein Einsatz als Spieler war jedoch nicht mög­lich; die Sowjets hatten uns einen schwer erkrankten Fußballer heimgeschickt. Sein Bruder Lorenz kam erst 1950 aus russi­scher Kriegsgefangenschaft heim.

Wie anfangs erwähnt, mußten wir mit ganz neuen Spielern wieder aufbauen. Wenn Not am Mann war, halfen uns Spieler der Handballmannschaft. Sportlich und fair wurde alles wieder geglättet. Die Spielerdecke war halt noch sehr dünn. So mancher Spieler mußte mit Brotmarken, die der Sportkamerad Herbert Geißler mit aus seiner Bäckerei zur Weitergabe in die Hand drückte, unterstützt werden. Brot war zu der Zeit noch rationiert.

Der Herrenhandballmannschaft schloß sich später eine Damenhandballmann­schaft an. Hoffmanns Zwillinge von der Alm (heute Frau Schirp bzw. Frau Wolf), Klauken Mia (früher Wiesemanns Mia) Schwefers Lore (Breiter Weg) u.a. sorgten mit ihrem Können für einen großen Zuschauer­anhang.

Ein großes Problem war immer noch die Beschaffung von Sportbekleidung, Fuß-und Handbällen, Netzen usw. Hier fanden wir eine gute Unterstützung beim Sport­dezernenten der Regierung Arnsberg, Herrn Grömmer. Mit einem Empfehlungsschreiben schickte er uns zur Firma Turn- & Taxmeier nach Hagen. Arthur Geißler griff zu Hause in die Lebensmittelmarkenkiste und schwänzte die Schule in Arnsberg, Bobby blieb seiner Arbeitsstätte fern. Zu dritt fuhren wir nach Hagen, und das nicht ohne Erfolg. Mit sieben Handbällen, einem Fußball, Ball­netzen und Eckfahnen kehrten wir zurück. Die Beschaffung kam wie ein Hauptgewinn an.

Mit den besorgten Handbällen konnte ich den Vorwürfen der Handballabteilung ent­gegenwirken, ich würde die Handballabtei­lung vernachlässigen, und das als Geschäftsführer des Vereins! Diese Art Vor­würfe gab es öfter. Zuweilen führten die Vörwürfe an den Rand einer Krise zwi­schen der Fußball- und Handballabteilung. Abwerbungen von Spielern von der einen zur anderen Abteilung waren nicht selten und brachten oft die jeweilige 1. Mann­schaft in Gefahr. Bahnte sich deswegen eine drohende Krise im Verein an, war es Lehrer Demmel, der es immer verstand, Krisen und Unstimmigkeiten abzuwenden. Er sprach häufig vom reinigenden Gewitter, das zu Klärung der Luft beiträgt.

Wie die Namen Stirnberg und Schirp, so ist auch der Name Demmel gleich hinter dem Vereinsnamen TuRa Feienohl einzu­reihen.

Als Lehrer der Volksschule führte er schon früh die Kinder zum Sport hin. Er wußte, daß der Sport und die körperliche Ertüchti­gung für die heranwachsende Jugend zur Erhaltung der Gesundheit durch sportli­ches Training und körperlichen Ausgleich notwendig sind. Das hat die Jugend von Freienohl erkannt. Ein Beweis dafür ist die in den Jahren nach dem Krieg stetig ange­stiegene Mitgliederzahl. Waren es 1945 ca. 50, so stieg die Zahl bis 1987 auf über 1000 an:

In der Festschrift: „90 Jahre TuRa Frei­enohl" erwähnt Albert Kreimeier, daß es interessant und genußvoll sei, in den Annalen und Protokollen zu blättern und zu lesen. Für mich war das der Anlaß, das Wie­deraufleben des Sportvereins nach 1945 einmal näher darzulegen, um gleichzeitig die Vereinsunterlagen zu vervollständigen.

Am Schluß sei ein Wunsch erlaubt:
Der Turn- und Rasensportverein Freienohl möge weiterhin zu der Einrichtung in unserem Ort zählen, zu der sich die Jugend, nicht nur wegen der Geselligkeit und Freundschaft, sondern in erster Linie auch durch Spiel und Sport, hingezogen fühlt.

Gesundheit bis ins hohe Alter erhalten und von Zivilisationsschäden weitgehend verschont bleiben, diese Ziele des Sports sind seit der Gründung geblieben. An sportlichen Einrichtungen dazu fehlt es nicht. Dessen ist sich die Freienohler Jugend bewußt, und sie nutzt sie intensiv.

Freuen wir uns, daß es dem Vorstand des Turn- und Rasensportvereins unter der jahrelangen Leitung des vom echten Sport­geist beseelten Herbert Zacharias und seinen Vorstandskollegen in all den Jahren gelungen ist, den Sportverein zu dem zu machen, was er heute ist und für die Jugend bedeutet.

Das ist nur möglich, wenn selbstlose Männer und Frauen sich aufgerufen fühlen, der Jugend den Weg zur sport­lichen Betätigung zu ebnen.

Freienohl im Jahre 1988

Rudi Neise
Geschäftsführer des TuRa von Februar 1946 bis November 1948

 
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